Haltungsform bei Milch – eine Mogelpackung?

Beim Anschauen des Drehmaterials © Joanna Vortmann

Milch vom Discounterdie

Auf großen Plakaten machen sich die Lebensmitteleinzelhändler – und allen voran Aldi – stark für mehr Tierwohl. Die vier Stufen der Haltungsformen werden eingeführt – Jetzt auch bei der Milch.

Der Handel als Tierschützer? Was steckt hinter dem schönen Versprechen? Und was bedeuten die vier Stufen für die Tierhaltung?

Iris Rohmann und Joanna Vortmann haben hinter die Kulissen geschaut

Es sprechen: Michael Braun /Die Faire Milch

Sabine Klein /Verbraucherzentrale NRW

Arndt Zschische /Marketing-Experte

Hier noch Zusatzinfos und zusätzliche Statements, die es nicht in den Beitrag geschafft haben.

Wo nichts draufsteht, da ist meistens nur minimales Tierwohl drin, sagt Sabine Klein von der Verbraucherzentrale NRW.

„Die Tiere sind gezwungen so hohe Milchleistung zu erbringen, was sie aber eigentlich gar nicht gut können und deshalb sind sie überfordert und werden halt häufig krank. Und ich habe sogar eine Zahl gelesen, dass etwa 1/5 der Kühe sogar schon nach einem Kalb, also nach einer Periode, die sie Milch gibt, ausscheidet. Es ist schon schockierend, wie viele Tiere tatsächlich krank sind, was sicherlich auch mit den sehr hohen Leistungen zusammenhängt, die diesen Tieren angezüchteter Weise abverlangt werden. Es gibt sehr häufig EuterEntzündungen beispielsweise. Und ein weiteres Problem ist aufgrund der eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten und ungeeigneter Böden in den Ställen, dass vielfach Klauen, Krankheiten vorhanden sind, sodass die Tiere lahm werden.“

Michael Braun aus dem Siegerland lehnt die Haltungsform ab. Zuviele Unklarheiten und Ungerechtigkeiten gebe es in den Stufen, meint er Michael Braun

„Also es hat noch große Fragezeichen in den einzelnen Stufen. Zum Beispiel gibt es konventionelle Betriebe, die eine sehr gute Haltung ihrer Tiere haben, aber trotzdem nur eine HaltungsStufe drei bekommen. Und auf der anderen Seite werden Biobetriebe automatisch in die HaltungsStufe vier eingeordnet, obwohl sie teilweise von den Haltungsbedingungen schlechter sind, wie manche konventionelle Betriebe.

Und wir haben ja die Erfahrung eigentlich schon gesammelt bei der Einführung des Siegels ohne Gentechnik. Auch dort ist damals den Landwirten versprochen worden Ihr bekommt diesen zusätzlichen Aufwand bezahlt, es wurde mit einem Cent kalkuliert. Und wenn der Lebensmitteleinzelhandel heute die KontraktVerhandlungen mit den Molkereien führt, ist es Standard. Man setzt das voraus. Das heißt, es wird von vornherein eingepreist und wird nicht wieder zusätzlich bezahlt. Und das ist immer ein grundsätzliches Problem, was wir haben. Es werden ständig neue Qualitätskriterien gefordert. Der Bauer setzt diese Kriterien letztendlich um. Er bekommt am Anfang eine kleine Vergütung, die auch überhaupt nicht den Aufwand widerspiegelt, den er eigentlich dafür brauchte. Und letztendlich ist es dann zwei Jahre später so, dass das als Standard eingepreist wird. Es wird vorausgesetzt und nicht mehr bezahlt auf seinen Kosten.“

Bis 2030 möchte Aldi nur noch Haltungsform 3 oder 4 im Sortiment. Wir fragen bei Aldi nach, ob sie bereit sind, auch mehr für die Milch zu bezahlen – so viel wie der Landwirt braucht? Und was sagt Rewe? Die Antworten sind ausweichend.

„ALDI unterhält keine direkten Vertragsbeziehungen zu Landwirten. Unsere Vertragspartner sind Molkereien (…). Wie hoch der Auszahlungspreis an die Landwirte letztlich ist, können wir – durch das Kartellrecht festgelegt – nicht unmittelbar beeinflussen.“

Rewe argumentiert auf ähnliche Weise. Es gibt „Keine Vertragsbeziehung mit einzelnen Erzeugern sondern mit den Molkereien. Siehe hierzu auch: (…) Bundeskartellamt zeigt kartellrechtliche Grenzen auf.“

Das klingt so, als würde das Kartellamt verhindern, dass der Handel höhere Preise bezahlt. Oder die Molkereien oder die Landwirte selbst. Daher haben wir bei all diesen einmal nachgefragt. Und alle haben uns geantwortet – allen voran das Kartellamt: Natürlich dürfen Einzelhändler mehr zahlen – wenn sie das wollen. Also haben wir nochmal gefragt. Werden sie für mehr Tierwohl mehr bezahlen – ja oder nein? Aldi antwortet nicht auf unsere Nachfrage. Rewe schreibt uns: „Wir werden uns an den Kosten beteiligen“ Und verweist auf seine Lokalpartnerschaften.

Die Zeit wird zeigen, wie ernst das Tierwohl dem Handel wirklich ist. Sabine Klein „Im Moment ist eine absolute Luftnummer. Keiner braucht ein zusätzliches Label auf einer Biomilch. Was tatsächlich nötig wäre, wäre, dass mal diese Marken, die da irgendwie mit ländlicher Idylle, mit Kühen auf der grünen Wiese werden, aber nichts dahinter stehen, dass die endlich mal entlarvt werden. Da muss draufstehen, dass es tatsächlich nur Haltungsform eins und zwei ist. Und es muss auch auf den Milchprodukten, also dem Joghurt, dem Käse und so weiter drauf stehen. Das hat der Handel zwar angekündigt, aber wer weiß, wann das kommt. Also im Moment ist davon nichts in Sicht.“

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